Die Montessori Mafia
Eine neue Perspektive auf das Thema Komfortzone
Mein Verständnis über Komfortzonen hat sich in den letzten Jahren ziemlich geändert. Leistung und Anstrengung waren lange mein Lebens- und Überlebenskonzept. Es war für mich einfach eine Frage der Disziplin, ob ich meine Ideen und Träume umsetzen konnte. Und mit dieser Strategie habe ich eine Menge Dinge erlebt und gemacht. Doch es gab Visionen und Projekte, die ich nicht auf den Boden bringen konnte, egal wie sehr ich meine To-Do Listen erweiterte.
Heute sehe ich es so, dass es Komfortzonen nichts mit Disziplin zu tun haben oder mangelndem Willen. Denn es sind eigentlich Gehorsamkeits-Zonen. Das bedeutet, dass wir gelernt haben, uns in dem Terrain zu bewegen, in denen wir die Spielregeln unserer Kindheit und unserer Gesellschaft einhalten. Und in dem Moment, wo wir uns aus der Gehorsamkeits-Zone herausbewegen, gerät unser autonomes Nervensystem in den Überlebensmodus. Rein physiologisch sind wir dann nicht in der Lage, kreativ zu handeln oder klar zu denken.
Und das ist keine Frage unserer Talente oder unseres Willens. Denn die meisten von uns, vor allem die älteren Generationen, wuchsen in einer Welt auf, die uns beibrachte zu funktionieren. Das begann bei Eltern, deren Erziehungsstrategie auf Gehorsam beruhte, und wurde weitergeführt mit Schulsystemen, die zum Ziel hatten, dass wir Inhalte und Ideen anderer wiedergeben können. (Übrigens - noch 1987 wurde eine letzte Auflage von Anna Harrers Buch: «Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind» gedruckt, ein Erziehungsbuch aus der NS Zeit. (Tenor: der Wille des Kindes muss gebrochen werden und die Beziehung zwischen Mutter und Kind muss auf physische Pflege reduziert werden.)
Wie es anders gehen kann, wissen wir schon lange. Pestalozzi war einer der Vorläufer, Steiner oder Maria Montessori (1870 – 1952) Sie war eine italienische Ärztin, die eine eigene Pädagogik entwickelte, die darauf beruht, die natürliche Neugier des Kindes zu fördern. Die Werte sind: freie Wahl, Autonomie, der eigenen Neugier folgen können, so lernen, so wie wir selbst wirklich lernen wollen. Diese Grundlage macht uns erfolgreicher und klarer als unsere Fähigkeit zu gehorchen.
In Wirtschaftskreisen spricht man halb scherzhaft, halb neidisch von der Montessori Mafia, denn viele bekannten Vertreter der kreativen Elite hatten eine Montessori Schulbildung. Die Google Gründer Larry Page and Sergei Brin, Amazon Gründer Jeff Bezos, Videospiel-Pionier Will Wright, and Wikipedia Gründer Jimmy Wales, die Köchin Julia Child and der Rapper Sean "P.Diddy" Combs. Inzwischen wurde der positive Einfluss der Montessori Schulbildung wissenschaftlich in einer Studie über 6 Jahre mit 3000 Personen nachgewiesen. Die Menschen, die ihre Ideen leichter umsetzen haben nicht mehr Talente - sie haben weniger innere Verbote und mehr innere Freiheit dabei, in jede Richtung zu denken, etwas auszuprobieren und «Fehler» zu machen.
Denn brillante Ideen werden nicht von 0 auf 100 erfunden, sie werden entdeckt und entwickelt. Google startete nicht mit einer Vision von Google, sondern mit dem Versuch, die Literatursuche in Büchereien effizienter zu machen. Daraus entstand dann die Idee für eine viel grössere Suchmaschine und ein völlig neues Business Modell. Ich spreche hier nicht darüber, ob Projekte nachhaltig oder politisch korrekt sind. Mir geht es erst mal nur um die Fähigkeit, neue Lösungen zu entwickeln und kreativ zu denken.
Unsere Visionen liegen meist ausserhalb unserer Komfort- / Gehorsamkeitszone. Es zeigt sich in Wellen von innerem Nebel, wenn wir anfangen, unsere Stimme, unsere Wahrnehmung, unser Tempo wieder zurückzuerobern. Und es zeigt sich auch in unserem Umgang mit den grossen, kollektiven Themen – können wir uns vorstellen, dass wir nachhaltiger, gerechter, gesünder auf der Erde leben und überleben zu können? Oder knicken wir ein unter erlernter Ohnmacht: «es geht halt nicht, weil… und es schon immer so war…» Deshalb ist für mich das wiederfinden unserer eigenen Stimmen nicht nur ein persönliches Heilabenteuer, sondern auch ein politischer Akt.
Positionierung, Komfortzonen und Gehorsam
Business Klarheit konfrontiert uns in Lichtgeschwindigkeit mit unseren Anpassungs- und Überlebensstrategien. Bin ich zuviel, stimmt meine Wahrnehmung, was werden andere über mich denken, habe ich eine Sprache für die Dinge, die mir wichtig sind, wird mich jemand dafür zahlen? Deshalb ist Positionierung nur zu einem kleinen Teil eine strategische Aufgabe. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, unser Wissen verkörpern zu können. Das bedeutet, dass wir nicht mehr in der Überlebens- und Gehorsamkeits-Zone sind, wenn wir unsere Ideen in die Welt bringen, sondern wirklich in einem schöpferischen Zustand.